Der weltweite Ressourcenverbrauch übersteigt längst die Belastungsgrenzen der Erde – und auch psychologisch stößt maßloser Konsum an seine Grenzen. Um einen nachhaltigen Wandel zu erreichen, braucht es mehr als individuelle Maßnahmen: Die Zivilgesellschaft spielt eine Schlüsselrolle beim Wertewandel hin zu mehr Gerechtigkeit, Umweltbewusstsein und echter Teilhabe. Der Verein „Klima und Alltag“ versteht sich als Teil dieser Bewegung und setzt sich für Aufklärung, Bewusstseinsbildung und nachhaltige Veränderung ein.
Ressourcenverbrauch der Menschheit übersteigt bereits die Regenerationsfähigkeit der Erde. Länder wie Deutschland verbrauchen jährlich mehr natürlich Ressourcen wie Holz, Wasser, Rohstoffe, als die Erde erneuern kann, was zu Umweltzerstörung und Klimawandel führt. Das Konzept der „planetaren Grenzen“ liefert wissenschaftlich fundierte Leitplanken, innerhalb derer sich auch der Konsum bewegen sollte, wenn wir die Lebensgrundlagen der künftigen Genrationen sichern wollen. Auch aus psychologischer Sicht gibt es individuelle Obergrenzen, mehr Konsum führt ab einem gewissen Punkt nicht zu mehr Zufriedenheit, sondern kann Stress, Überforderung und gesundheitliche Probleme verursachen.
Wissenschaftliche Ansätze wie das „Planetary Boundaries“-Konzept quantifizieren ökologische Belastungsgrenzen und können auf den Pro-Kopf-Konsum umgelegt werden. So lassen sich für verschiedene Konsumgüter (z.B. Autos, Kleidung, Elektronik) nachhaltige Budgets pro Person berechnen. Die Ermittlung kann durch Ökobilanzen, prospektive Szenarien und die Analyse durchschnittlicher Konsummuster erfolgen, wie es etwa das Umweltbundesamt für Deutschland gezeigt hat. Neben ökologischen Grenzen sollten auch soziale und psychische Faktoren berücksichtigt werden, um sinnvolle und gesellschaftlich akzeptierte Obergrenzen des Konsums tragfähig zu gestalten.
Fazit: Eine Obergrenze für den Konsum ist aus ökologischer und gesellschaftlicher Sicht sinnvoll. Sie sollte sich an den planetaren Grenzen orientieren aber auch die psychischen und sozialen Bedürfnissen der Menschen berücksichtigen.
Trotz dieser Notwendigkeit bleibt der Wunsch nach „immer mehr“ tief verwurzelt: größere Wohnungen, teurere Autos, weitere Reisen, mehr Kleidung und mehr Auswahl beim Essen.
Wir müssen jedoch unterscheiden zwischen krankhafter Kaufsucht und übermäßigem Konsum. Etwa fünf Prozent der Deutschen gelten als stark kaufsuchtgefährdet. Bei diesen Menschen wird Konsum tatsächlich zur Sucht: Sie kaufen wiederholt und exzessiv, oft um negative Gefühle wie Frust, Langeweile oder geringes Selbstwertgefühl zu kompensieren- Das Glücksgefühl beim Kauf ist meist nur von kurzer Dauer, danach folgen oft Schuldgefühle.
Der Überkonsum oder Konsumismus, insbesondere in den industriellen Ländern, ist dagegen Ausdruck gesellschaftlicher Werte und sozialer Vergleiche, aber keine Sucht im medizinischen Sinn. Konsum wird in unserer Gesellschaft oft mit Status, Anerkennung und Selbstwert verbunden. Werbung, soziale Medien und das Umfeld verstärken diese Wünsche. Es kommt zum Überkonsum, der die ökologischen Grenzen dauerhaft überschreitet. Konsum kann zur wichtigsten Quelle von Identität und Sinnstiftung werden. Die gesellschaftliche Akzeptanz und die moralische Bewertung von Überkonsum unterscheiden sich entsprechend stark. Kulturelle Unterschiede zeigen sich auch in der Wahrnehmung von Risiken und im Umgang mit Prävention: Was in einer Gruppe als problematischer Überkonsum gilt, kann in einer anderen als normal angesehen werden. Letztlich sind wir fast alle, verblendet durch Angebote und Werbung, zum Konsumismus verleitet worden und reden es uns gerne schön.
Zwar gibt es zahlreiche Ansätze zur Reduzierung des individuellen übermäßigen Konsums. Bewusster einkaufen, vor jedem Kauf hinterfragen, ob das Produkt wirklich benötigt wird und wie oft es genutzt wird. Wunschlisten und Einkaufspläne nutzen, um Impulskäufe zu vermeiden, Bargeld statt Karte zahlen, um das Ausgabeverhalten besser zu kontrollieren. Qualität statt Quantität kaufe, besser in langlebige, hochwertige Produkte investieren. Diese individuellen Strategien können hilfreich sein, sie müssen aber von gesellschaftlichen und strukturellen Maßnahmen gestützt werden. Die Politik muss Recycling- und Wiederverwendungssysteme ausbauen und zugänglich machen, Kreislaufwirtschaft und zirkuläre Geschäftsmodelle unterstützen, Mehrwegprodukte statt Einwegartikel popagieren, die Werbung beschränken, öffentlichen Nahverkehr fördern, um nur eine paar Beispiele zu nennen.
Politik steht also vor der schwierigen Herausforderung, nachhaltigen Konsum zu fördern, obwohl viele Menschen weiterhin mehr konsumieren wollen. Ein direktes Verbot oder harte Einschränkungen stoßen meist auf Widerstand. Dennoch gibt es wirksame politische Ansätze: Anreize etwa durch steuerliche Vorteile für umweltfreundliche Produkte und höhere Abgaben auf besonders umweltschädliche Güter. Auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf nachhaltige Waren und die Erhöhung auf klimaschädliche Produkte sind denkbar. Aufklärungskampagnen und Verbraucherbildung kann helfen, das Bewusstsein für die Folgen des Konsums zu stärken und nachhaltige Lebensstile zu fördern.
Das zeigen Studien: geringerer Konsum, weniger Flugreisen, minimalistischer Lebensstil können tatsächlich zu mehr Wohlbefinden, innerer Ruhe und mentaler Gesundheit führen. Damit suffizienzorientierter[1] Konsum gesellschaftlich akzeptiert wird, braucht es jedoch einen tiefgreifenden Wertewandel, sowohl bei Unternehmen als auch in der Gesellschaft insgesamt. Unternehmen können auf langlebige Produkte, Reparaturservices oder Sharing-Modelle umstellen, um neue, nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Um diesen Wertewandel zu initiieren, braucht es die Zivilgesellschaft. Zivilgesellschaftliche Organisationen spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Agenda 2030.[1] Sie beteiligen sich aktiv an der Entwicklung, Umsetzung und Überprüfung der SDGs[2] auf allen Ebenen – von lokalen Initiativen bis zur internationalen Politik. Zivilgesellschaftliche Organisationen bringen die Perspektiven von Frauen, marginalisierten Gruppen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen ein und fördern so mehr Gerechtigkeit und Teilhabe, sie übernehmen wichtige Aufgaben bei der Aufklärung, Mobilisierung und Bildung der Öffentlichkeit zu nachhaltiger Entwicklung und den SDGs.
Die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Regierungen bei der Agenda 2030 ist dialogorientiert, partnerschaftlich und auf mehreren Ebenen institutionalisiert. Sie umfasst Mitsprache, gemeinsame Entwicklung von Strategien, finanzielle Förderung und die kritische Begleitung der Umsetzung.
Insbesondere Bürgerräte gelten als vielversprechendes Instrument, um die Agenda 2030 voranzubringen. Sie bringen vielfältige Perspektiven ein wie Klimaschutz und Generationsgerechtigkeit. Geloste Teilnehmer:innen erarbeiten konkrete Handlungsempfehlungen, etwa für nachhaltige Landwirtschaft oder globale Verantwortung. Bürgerräte können politische Blockaden überwinden, indem sie gesellschaftliche Kompromisse sichtbar machen – wie im Integrierten Umweltprogramm 2030[1], das direkt aus Bürgerdialogen hervorging. Bürgerräte sind hilfreich, um Akzeptanz für nachhaltige Politik zu schaffen und komplexe Zielkonflikte zu diskutieren. Sie können jedoch keine politischen Entscheidungen ersetzen, sondern ergänzen bestehende Demokratieformen. Für die Agenda 2030 sind sie besonders wertvoll, wenn ihre Ergebnisse verbindlich in Gesetzgebungsprozesse einfließen – wie im Umweltprogramm 2030– und durch begleitende Bildungsangebote verstetigt werden.
Die Zivilgesellschaft – NGOs, Vereine, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, Kirchen, Medien – tragen wesentlich zum Wertewandel bei. Durch ihr Wirken kommt Veränderung zustande. Sie sind weder profitorientiert und basieren auf freiwilligem Engagement, gemeinsamen Werten wie Gewaltfreiheit und demokratischer Teilhabe. Regierungen können Rahmenbedingungen schaffen wie CO2-Preis oder Kreislaufwirtschaft. Es gibt Pionierunternehmen, die zeigen, das nachhaltiges Wirtschaften möglich ist. Forschung liefert Daten für politische Entscheidungen und Schulen integrieren Nachhaltigkeit in ihren Unterricht. Soziale Medien können Missstande sichtbar machen und mobilisieren.
So kann der Wandel gelingen. Trotz der Widerstände von Lobbygruppen und Teilen der Bevölkerung, die an Konsum orientierten Mustern festhalten.
Unsere zentrale Aufgabe als Verein sehe ich daher in der Aufklärung und an der Förderung des Wertewandels gemeinsam mit anderen Organisationen der Zivilgesellschaft. Damit leisten wir unsern Beitrag zur Verhinderung einer Klimakatastrophe, zur Stärkung der Demokratie und zur Überwindung von sozialer Ungleichheit.
Wilfried Silbernagel
1 Suffizienz bedeutet „das richtige Maß“ oder „ein genügend an“ und beschreibt das bewusste Begrenzen des eigenen Konsums auf das, was tatsächlich gebraucht wird. Ziel ist es, den Verbrauch von Ressourcen und Energie so weit zu reduzieren, dass die natürlichen Grenzen der Erde respektiert werden und auch künftige Generationen ihre Bedürfnisse decken können. Suffizienz steht für Selbstbegrenzung, Entschleunigung und das Hinterfragen von Bedürfnissen, im Gegensatz zu immer mehr Konsum und Wachstum. Sie ergänzt die Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz (besser nutzen) und Konsistenz (umweltverträgliche Technologien) um die Frage: „Wie viel ist genug?“
2 Die fünf Themenbereiche der Agenda 2030 – auch die „fünf Ps“ genannt – sind: People (Menschen): Die Würde des Menschen steht im Mittelpunkt, Ziel ist eine Welt ohne Armut und Hunger, Planet (Planet); Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und des Klimas; Prosperity (Wohlstand): Wohlstand und ein gutes Leben für alle Menschen fördern; Peace (Frieden): Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen schaffen. Partnership (Partnerschaft); Globale Partnerschaften aufbauen, um die Ziele gemeinsam zu erreichen2.
3 SDG: Sustainable Development Goals, auf Deutsch Ziele für nachhaltige Entwicklung, insgesamt wurden 17 Ziele wurden verabschiedet wie keine Armut, kein Hunger, Gesundheit, Bildung, Nachhaltigkeit,…
4 https://partizipation.at/praxisbeispiele/bundesweite-buergerinnenraete-zum-integrierten-umweltprogramm-2030/